Predigt vom 18. Oktober 2020

Werft euer Vertrauen nicht weg! (Predigt zu Hebräer 10, 32 – 36) Ausgangssituation der Hebräer: Liebe Gemeinde, diese Zeilen richten sich an Christen, die im Glauben müde geworden ist. Historisch gesehen befinden sich die Briefadressaten des Hebräerbriefes in der zweiten Hälfte des 1.Jhts. nach Christus. Es dürften bereits die ersten Christen-verfolgungen im Römischen Reich eingesetzt haben. Christen galten aus Sicht des Römischen Staates als illoyal, weil sie dem Kaiser die Verehrung als Gott verweigerten. In der Gesellschaft wurden sie als Außenseiter abgestempelt, weil sie an der Botschaft eines gekreuzigten Zimmermanns festhielten. An einer Botschaft, die vielen Leuten damals nur gerüchteweise und nur sehr bruchstückhaft bekannt war. Ganz offensichtlich war die christliche Gemeinde in äußerer Bedrängnis. Zur äußeren Bedrängnis kam eine innere Bedrängnis dazu, nämlich Zweifel und bohrende Fragen: Die Apostel, die ihnen das Evangelium gebracht hatten, haben verkündet, dass Jesus Christus bald wiederkommt. Jahr für Jahr vergeht, aber die Wiederkunft ist bis jetzt ausgeblieben. Auch waren die Apostel der ersten Generation, die Jesus von Angesicht zu Angesicht gesehen und ihn begleitet hatten, überwiegend schon verstorben. Da gab es keinen mehr, den sie als Augenzeugen noch einmal befragen hätten können: Wie war denn das mit der Auferstehung? Habt ihr den Gekreuzigten tatsächlich zu Ostern als den Auferstandenen gesehen, habt ihr wirklich mit ihm gesprochen, mit ihm gegessen und Gemeinschaft gehabt? Ja und überhaupt: Zahlt es sich aus, Christ zu bleiben oder sind die Kosten der Nachfolge zu hoch, wenn man Verfolgung und Außenseitertum in Kauf nehmen muss?   Parallelen zu unserem Gemeindeleben Liebe Gemeinde, zumindest was die innere Müdigkeit angeht, ist uns die Gefühlssituation der Briefadressaten nicht so fremd.  Als Gemeinde sehen wir: Die Gesellschaft wird säkularer und multireligiöser und die Stimme des christlichen Glaubens in der Gesellschaft wird schwächer. Die überzeugten Christen werden weniger, die Gemeinden überaltern, die Mitglieder werden weniger. Das ist eine Entwicklung, die nicht unbedingt Mut macht und vielleicht – ähnlich wie in der Hebräergemeinde – zu Glaubensmüdigkeit führt. Aber vielleicht gibt es noch weitere Umstände, die auf einer ganz persönlichen Ebene zu einer Glaubensmüdigkeit führen, Zweifel und Anfechtung verursachen. Vielleicht sind es nicht erhörte Gebete. Man betet um Genesung von einer Krankheit, jahrelang – und die Gesundheit bleibt aus. Zurück bleibt die Frage: Bringt denn das Gebet etwas? Erhört Gott Gebete, dringen sie zu ihm durch? Warum schweigt Gott? Oder die Zweifel kommen aus einer anderen Richtung: Es gibt in unserer Gesellschaft viele Religionen, viele Denk-richtungen, Ideologien und Sinnangebote. Daher taucht – vielleicht ähnlich wie damals bei den Hebräerchristen, die Frage auf: Ist Jesus wirklich der von Gott gesandte Retter? Ist er wahrhaftig von den Toten auferstanden oder ist das alles nur ein Mythos? Ist er der Eine und Wahre, dem wir vertrauen sollen oder ist er nur einer unter vielen, nämlich unter den vielen Religionsstifter, die es in der Weltgeschichte gegeben hat? Fragen, die auch unter Christen Zweifel schüren und für Verunsicherung sorgen. Das Leben als Christ durchläuft manchmal Phasen der Anfechtung. Das Leben in der Nachfolge verläuft nicht geradlinig. Jesus hat seinen Jüngern und [...]